ÜBERSICHT

Sigi Hupfauer, der Fürsorgliche

Text Bernd Kullmann | Fotos Christian Kaufmann

„Mit der Hos gehsch mer aber net zum Gipfel, do friersch der jo de Arsch ab“.

Die Hos war eine Levi’s 501 und der Gipfel kein ­Geringerer als der Mount ­Everest.

So geschehen während der Deutsch-Französischen Everest Expedition im ­ Herbst 1978. Der das mit Bestimmtheit sagte war Sigi Hupfauer, vor 40 Jahren bergsteigerischer Leiter dieser Expedition zum Top of the World. Und sein Wort hatte Gewicht.

Der Sigi war damals schon ein Großer, ein echtes ­alpines Schwergewicht, Achttausendermann und Erstbegeher der Winterdiretissima am Eiger. Klar, dass er Vorbild für uns Junge war, aber eben auch ­Respektsperson.

Die Hos hat‘s dann doch zum Gipfel geschafft, und „damit es deine Füß net zu kalt wird“ hat mir der Sigi noch im Zelt am Südsattel seine supermodernen und warmen Neoprengamaschen gegeben. Nicht nur Vorbild eben, sondern immer auch fürsorglich für die jungen Hüpfer. Hineingeboren in die Kriegswirren 1941 und aufgewachsen mit vier Geschwistern lernte er in der Bauernfamilie aus Balmertshofen im Schwäbischen schnell Verantwortung zu übernehmen. Die Kinder mussten fest mit anpacken, es galt nach Kriegsende nicht nur die eigenen Mäuler zu stopfen, sondern auch die Verwandschaft mit dem Nötigsten zu versorgen. Der kleine Sigi brachte häufig mit dem Leiterwagen Lebensmittel zu den Familien oder schleppte im Rucksack schwere Wechseleisen vom Pflug zur Schmiede. Die Geschwister erzogen sich meist selbst, beide Eltern arbeiteten auf dem Feld. Nach der Volksschule mit 15 dann Lehre zum Feinmechaniker in Senden, die 20 km hin und zurück mit dem Fahrrad, sommers wie winters, bei Regen und Schnee. Mit Lehrlingskollegen dann erste Kletterversuche im Blautal. Sigi hatte Talent, der Berufschulpfarrer erkannte das, förderte den Jungen und brachte ihn zum Alpenverein. An den freien Tagen, damals wurde am Samstag noch gearbeitet, ging’s ins Allgäu oder Rätikon. Bei der Bundeswehr lernte er neue Kumpel kennen, Wolfgang Kessler und Roland Votteler. Mit Roland war er jede freie Minute beim Klettern. Bald war er Jungmannschaftsleiter und Kletterstar in seiner Clique. Mädels waren damals rar beim Alpenverein. Und wenn dann tatsächlich mal ein steiler Zahn auftauchte, der nicht nur gut aussah, sondern auch noch gut klettern konnte, dann zog das Mädel rasch einen Kometenschweif an Verehrern hinter sich her und konnte sich vor Kletterangeboten kaum retten.

Der Sigi hat Glück gehabt und ein solches Exemplar ergattert. Zunächst ging‘s mit einem weiteren Jungmannschaftsspezl, quasi als Anstandswauwau, Gaby war ja erst 16, in die Brenta. Ob‘s dann beim kalten Biwak an der Guglia gefunkt hat, oder schon früher oder erst später, jedenfalls waren die beiden nach dem Urlaub ein Paar. Und schwäbisch gründlich wurde dann 1967 auch geheiratet. Da das Geld knapp war, fuhr Sigi allein auf Hochzeitsreise, mit der Herrligkofer-Expedition an die Rupalflanke zum Nanga Parbat. Damals noch ohne Gipfelerfolg, aber die hohen Berge hatten es fortan dem Sigi angetan. 1973 war dann der Manaslu der erste 8000er, sieben weitere folgten, davon drei gemeinsam mit Gaby. Denkwürdig dabei der Broad Peak, denn 1986 war im Karakorum ein Katastrophenjahr. Während die Hupfaueres mit 3 Hochlagern und ohne Sherpas in einem Zug den Gipfel erreichten, kamen gegenüber am K2 13 Menschen ums Leben.


Sigi Hupfauer Portrait

Sigi mit dem Ehrenabzeichen des Bergführerverbandes – ein altes Dia von der Expedition 1978 zum Mount Everest betrachtend – und mit seiner Frau Gaby, mit der er drei Achttausender bestiegen hat [v.l.n.r.]. Mehr über Sigi Hupfauer und seine bergsteigerischen Stationen!


Nach ihrem Gipfelerfolg stieg Sigi nochmals 600 Meter auf, um einen jungen Kameraden, der völlig erschöpft hängen geblieben war, zwar mit schlimmen Erfierungen aber doch lebend ins Basislager zurückzubringen. Auch die 14 Teilnehmer, die er an einem einzigen Tag auf den Cho Oyu geführt hat, dürften bis heute Rekord bei kommerziellen Expeditionen sein. Hier zeigte sich wieder einmal Sigis enormes Talent und seine Geduld im Bergführerberuf. Bleibt in so einem sportlich erfüllten Leben überhaupt noch Platz für Anderes? Sigi war und ist ein ausgeprägter Familienmensch und hat und pflegt einen großen Freundeskreis. 1971 wurde Tochter Silke geboren, fortan waren allzu riskante Unternehmungen tabu. Ein Schlüsselerlebnis war der Tod zweier Freunde im Wettersturz in der Badile NO-Wand.

… Eiserner Wille, Disziplin, Zuverlässigkeit, Bescheidenheit, Kameradschaft und Fleiß, allesamt Eigenschaften die heute wieder wichtiger aber auch seltener werden.

Anstrengend waren die Familienurlaube für Silke schon, die Eltern waren ja beim Wandern oder Klettern von ihren Expeditionen top fit, aber genossen hat sie’s trotzdem sehr. Lästig war eher die Prominenz des Papas, den kannte fast jeder, egal ob in Patagonien oder am Sellajoch. Extremes Bergsteigen über Jahrzehnte hinterlässt Spuren. Abgestürzt ist der Sigi zwar nur einmal, und das kurioserweise zehn Meter von einem Obstbaum. Etliche Beckenbrüche waren die Folge. Aber die Knie haben die unzähligen Touren auf Fünf-, Sechs, Sieben- und Achttausender übel genommen und so ist Sigi bereits im Ersatzteilzeitalter angekommen. Als Vorzeigepatient nach zwei Knie-Implantaten hat er jeweils rasch die Reha für beendet erklärt – wegen einer Stunde Gymnastik, das macht er locker zu Hause selbst.

Eiserner Wille, Disziplin, Zuverlässigkeit, Bescheidenheit, Kameradschaft und Fleiß, allesamt Eigenschaften die heute wieder wichtiger aber auch seltener werden – für den Sigi war das immer selbstverständlich. Und natürlich ist er auch mit seinen Ersatzknie wieder unterwegs, der ewige Kümmerer halt, seinen Gästen verpflichtet. Wer mit ihm unterwegs sein darf hat Glück gehabt, einen besseren Bergführer kann man sich nicht vorstellen. Das weiß auch Flo, Silkes Sohn. Bereits in jungen Jahren hat ihm der Opa die Grundlagen des Kletterns beigebracht. Und während der Opa vom Enkel lernt wie man den Wetterbericht online abfrägt, schätzt Flo den unendlichen Erfahrungsschatz des Älteren.

Wenn der Opa mit dem Enkel ...

.... dann braucht sich die Mama keine Sorgen zu machen.


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