ÜBERSICHT

Oman – Nachmittags Tee im Cliff House

TEXT MARIAM OMARA
FOTOS ARCHIV HÄRTER

Das Sultanat Oman präsentiert sich mit einer Vielfalt an landschaftlichen Schönheiten und einer gastfreundschaftlichen Willkommenskultur, die tief verwurzelt in der Bevölkerung jene gelebte und aufrichtige Herzlichkeit der Omanis zum Vorschein bringt.

Nicht selten findet man sich unterwegs bei Wanderungen oder Rundreisen in den privaten Wohnzimmern von Bekannten, manchmal aber auch völlig Unbekannten wieder. Auch kommt man ohne Einladung zu Kaffee und Datteln kaum bei älteren Dorfbewohnern vorbei, die gerne im Schatten riesiger Akazien auf alten Sofas, Sitzkissen oder Teppichen an gemütlichen Ecken ihrer Dörfer sitzen – manchmal direkt am Wanderweg.

So liegt auch der unter dem Namen „W6 Café“ – benannt nach der Nummer des Wanderwegs – bekannte Kiosk direkt am Pfad des „Balkonspaziergangs“ im beeindruckenden Grand Canyon des Oman. Kein Spaziergang, aber eine Wanderung in etwa zwei Dritteln Höhe der Schlucht des Grand Canyons, der sich rund 10 km durch das Wadi An Nakhar am Fuße des Jabal Shams („Sonnenberg“) schneidet. Sie eröffnet unglaubliche Ein- und Ausblicke in diese gigantische Felsschlucht, deren dreidimensional ineinander verschwimmende Felswände einen unvergesslichen Eindruck hinterlassen.

Ob am Beginn oder Ende der Wanderung in den Grand Canyon des Omans – das „W6 Café“, betrieben von Ali und seinem Großvater aus dem Bergdorf Al Khutaim, ist in jedem Fall einen Stopp mit grandioser Aussicht wert.

Unzählige Siedlungen, vor allem mit landwirtschaftlichem Hintergrund und neuerdings auch als Ausflugsziele für Aktiv- und Abenteuertourismus, charakterisieren die Gebirgsregion des Jabal Akhdar, des „Grünen Berges“. Man erreicht das Saiq-Plateau auf etwa 2000 m Seehöhe in einer zweistündigen Fahrt von Muscat; ab einem Kontrollpunkt bei Birkat Al Mouz ist ein allradbetriebenes Fahrzeug vorgeschrieben.

In Schlangenlinien schraubt sich die bestens ausgebaute Bergstraße auf das Jabal-Akhdar-Gebirgsmassiv hinauf. Hier profitiert man von den angenehmen Temperaturen dieser Höhenlage – ebenso wie die Heckenrosen neben einer Vielzahl von Obstbäumen: Granatapfel, Marille, Pflaume, Kirsche, Apfel, Olive und Trauben. Für den Obst- und Gemüseanbau herrschen hier bei mediterranem Klima auf 2000 m ideale Bedingungen. Angebaut wird in Terrassenfeldern, deren kalkhaltige Böden von unzähligen im Felsen entspringenden Quellen oder Brunnen bewässert werden.

Die traditionelle Art der Bewässerung aus einem Netz von Kanälen, dem sogenannten Falaj, hat sich bis heute erhalten. Einige dieser über 500 Jahre alten Anlagen sind UNESCO-Weltkulturerbe. Das Plätschern der Falaj-Kanäle begleitet uns auf Wanderungen durch die Dörfer des Jabal Akhdar. Häuser und Terrassengärten schlängeln sich in die tief abfallenden Schluchten. Umgeben von dieser imposanten Kulisse wandern wir inmitten der Gärten von Dorf zu Dorf.

In vielen dieser traditionellen Dörfer in Omans Bergen, Schluchten und Tälern findet man seit geraumer Zeit charmante, von Dorfbewohnern betriebene Heritage-Gästehäuser und Cafés. Entweder handelt es sich um adaptierte Lehmziegelbauten oder um Steinhäuser im Hochgebirge, die wundervolle Orte der Begegnung mit der lokalen Bevölkerung schaffen. Man wohnt als Tourist Tür an Tür mit den noch fallweise in den Häusern lebenden omani­schen Familien und sitzt in den offenen Restaurants mit deren stolzen Eigentümern und tauscht gegenseitig Neuigkeiten aus. Omanischer Kaffee, Kahwa genannt, sowie Datteln und frische Früchte aus den eigenen Gärten dürfen dabei natürlich nicht fehlen.

Die Dorfbewohner beginnen eine Unterhaltung in Arabisch, Touristen antworten in Englisch – und man versteht sich, unterstützt durch verständnisvolles Nicken und gestische Kommunikation.

Eine Offroad-Sandpiste führt zum Dorf Suwjara, wo uns ein weiteres Abenteuer erwartet. Bepackt mit einem Übernachtungsrucksack steigen wir einen Berghang in ein Tal hinunter. Am Talboden überqueren wir eine Hängebrücke, um auf der anderen Seite wieder hinaufzusteigen. Durch ein hölzernes Tor schreitend, das scheinbar ins Nichts führt, erreichen wir das Felsendorf am Berghang: das „Cliff Guesthouse“, in dem wir die Nacht verbringen.

Das Felsendorf besteht aus typischen Steinhäusern der Region, gelegen zwischen kleinen Grünanlagen, liebevoll und authentisch im traditionellen lokalen Stil ausgestattet und dekoriert.

Wir treffen auf zwei omanische Damen, ebenfalls zu Gast. Nach dem üblichen Begrüßungszeremoniell finden wir uns auf deren Terrasse bei hausgemachten Muffins und in einer aufwendigen Zeremonie aufgegossenem Safran-Tee wieder. Eine der Frauen hat iranische Wurzeln.

Später erkunden wir das gesamte Areal der Steinhäuser. Stimmengewirr kündigt das Eintreffen weiterer Übernachtungsgäste an, was sich durch bunte Punkte zeigt, die sich über die Steinstufen des Gegenhangs bewegen. Schmunzelnd wird unter den Gästen geklärt, bei wem es nun den begehrten Safran-Tee gibt.

In der Majlis, dem Aufenthaltsraum, wird das traditionelle omanische Abendessen serviert, zubereitet von Dorfbewohnern. Wir machen es uns auf Holzbänken gemütlich, während die omanischen Damen – traditionell auf Teppichen sitzend – essen. Später wirbeln sie in farbenfrohen Pyjamas durch die Anlage – offenbar ist Damenabend in der Felsenloge.

Bis spät in die Nacht hören wir fröhliches Lachen, aufgeregte Stimmen und sogar Ratschläge zum Umgang mit Dschinns. Der Vollmond wirft einen milchigen Schimmer über das Tal, bevor tiefe Dunkelheit einkehrt.

Am folgenden Morgen verfolgen die Damengruppen unterschiedliche Pläne: frühe Wanderungen ins Gebirge oder gemütliche Frühstücke in der Majlis. Wir entscheiden uns, die Al-Amer-Höhle zu besuchen. Nach einem einstündigen Aufstieg im schwierigen Gelände wagen wir uns ein Stück in den Höhleneingang hinein. Um die Tropfsteinhöhle vollständig zu erkunden, bräuchte man zwei bis vier Stunden, ein Seil, entsprechende Ausrüstung und einen lokalen Höhlenführer.

Unser einzigartiges Bergerlebnis abseits der bekannten touristischen Pfade endet mit dem Rückweg über die Hängebrücke, zurück zu unserem Fahrzeug – und weiter nach Maskat.

WEITER LESEN

TOP MOUNTAIN TOURS Homepage | Impressum | Magazin als Druckausgabe bestellen | Newsletter bestellen